Wieder im „Fuchsbau“ - 15 Jahre später

Wieder im „Fuchsbau“ - 15 Jahre später

Hier an der äusseren Drucktür war 2004 ein „Bunkerspecht“ am Wirken !
Ich bin auf der Autobahn in Richtung Fürstenwalde unterwegs.
Kaum Verkehr an diesem Samstag in Richtung der polnischen Grenze.
Das ist gut so heute, denn bis zum vereinbarten Treff am Tor der Bunkerliegenschaft bleiben mir noch 15 Minuten.
Vor genau einem Jahr hatte mich Herr Hensel vom BBN e.V. wegen einer legalen Öffnung des Bunkers angeschrieben.
Er wollte von mir wissen, wie man reinkommen könnte.
10 Jahre lang hatten sich die „Bunkerspechte“ vergeblich bemüht, einen Zugang zu finden.
Ich hatte ihm vorgeschlagen, den Lasteneingang des alten Bunkers zu öffnen, denn dieser Stollen war nicht verfüllt worden.
Die Termine wurden aber ständig verschoben, bis das Fernsehen vom RBB dort drehen wollte. Dann ging plötzlich alles ganz schnell...
Meine Gedanken sind schon im Bunker.
Ich weiß inzwischen, daß der Eingang zum alten Bunker seit Mitternacht auf ist.
THW und Feuerwehr aus Fürstenwalde haben ganze Arbeit geleistet.
Es wird aber stockfinster und kalt sein, denke ich. Hoffentlich halten die Akkus meiner Leuchte und die der Digitalkamera. Sicherheitshalber habe ich mir 3 Akkusätze eingesteckt. Ich versuche mir die Reihenfolge der Räume einzuprägen, die ich mir unbedingt ansehen und fotografieren will.
Ob das NVA-GVS-Nachrichtenschema im DNF-Raum noch dort hängt, wo es seit 1990 den Dornröschenschlaf hält ? Sind die Notausgänge wirklich verfüllt?
Ob sich die Türen zum neuen Bunker öffnen lassen? Wie wird es in „meinen“ Räumen aussehen ?
Dort ist schon das Objekttor. Verschlossen, obwohl ich angemeldet bin! Wie zum Hohn ist nun auch niemand vom BBN e.V. per Handy erreichbar.
Mit einem Satz ist das große Tor überwunden und ich gehe den gewohnten Weg zum Berg hinauf.
Endlich vor dem Bunker! Die Drucktür steht weit auf und gibt den Blick in die Tunnelröhre frei.
Presse und Kamerateams sind vollbeschäftigt. Es wird wieder mal gefilmt- die gleichen Motive wie vor 1994: Schleusen, Klimablöcke und Gänge...
Ein „DEP“, aber nicht aus Bayern, sondern ein Datenerfassungspult aus DDR-Produktion !
Vorbei an ersten Besuchern renne ich fast vorwärts und habe das Gefühl, erst gestern hier gewesen zu sein.
Auch ohne Licht hätte ich mich nicht verlaufen. Zu oft bin ich hier unten in 13 Jahren lang gegangen.
Von Kälte spüre ich nichts, aber die Luft ist schlecht. Es riecht nach Moder und Schimmel.
Je weiter ich vordringe, um so trockener werden auch die Wände.
Es ist eindeutig: Die Feuchtigkeit kam durch die Verfüllmasse rein!
Im DNF-Raum die Enttäuschung : Das GVS-Schema der Nachrichtenkanäle des NVA-Fuchsbaus ist weg und erst vor Kurzem abgenommen worden!
Also weiter zum Neubau. Hier die erste große Überraschung für mich:
Alle Türen zum TO-01 ließen sich leicht öffnen, weil der Übergang vollkommen trocken und sauber ist.
Angeblich sollte hier 1995 alles mit Braunkohlenfilterasche verfüllt worden sein. In dem Fall wäre hier aber die Welt zu Ende gewesen.
Zuerst will ich wissen, wie weit das Eingangsbauwerk von der Verfüllung betroffen ist. Im Treppenhaus wird das Atmen mit jeder Stufe nach oben schwerer.
Das hier überhaupt noch brauchbare Luft zum Atmen ist, sollte man nicht glauben. Wenigsten ein Bild möchte ich aber ganz oben machen.
Der Weg bis zum Eingangstunnel ist frei begehbar. Nach 80 Treppenstufen sehe ich die 1995 eingezogene Ytong-Sperrwand vor mir.
Die Betonbrühe ist trotzdem durch die Fugen gelaufen und auf der Treppe wie Lava erstarrt. Schnell zurück, ich bekomme kaum noch Luft.
Im Vorbeigehen ein Blick in den Führungsraum: Dort Festbeleuchtung- das RBB-Team dreht hier gerade. Schnell weiter zum Dispatcher.
Alles so, wie es mir Hugo vor Jahren beschrieben hatte. Fast alles ist raus, nur viel Müll blieb zurück.
Trotzdem finde ich überall noch vertraute Sachen aus DDR-Zeiten:
Dort ein Datenerfassunggerät DEP-81, dann ein von mir mitgebauter Computer, MIDA-32 genannt, Module, Leiterkarten und ganze Blöcke des ALMAS-Systems.
Die Teile waren wohl für das Stadtmuseum zusammengesucht und dann doch nicht mitgenommen worden.
Neben meinem damaligen Arbeitsplatz steht noch der verschlossene Schließfachschrank für die persönlichen VS-Dokumente.
Ich überlege kurz, welches mein Fach war und was da wohl noch drin sein könnte. Aber jetzt ist keine Zeit.
Noch SND-Zentrale, Fernschreiberraum und „Generalstoilette“ ansehen. Im Chemikerraum hängt noch die riesige NVA-Disloziierungskarte.
Ein schwarzes Fähnchen als Marker für den ZGS-14 bei Fürstenwalde und rings um Berlin die eingezeichneten Abteilungen der 41. Raketenbrigade.
Bilder gemacht und weiter.
Die Bohnerkeule: „Standartwaffe“ im Fuchsbau
Der Not-Ausgang läßt sich nicht öffnen!
Also doch komplett mit Beton zugelaufen? Sehe mir noch die Einführunsstelle der Elektrokabel an und mir wird klar, daß man hier nur schwer von außen durch den Zuleitungsschacht reingekommen wäre.
Hatte das dem BBN e.V. als Variante empfohlen, falls der Übergangstunnel verschüttet wäre.
Über die Treppe wieder nach oben und ein kurzer Blick in die Räume der Flugkontrolle.
So wie es aussieht, war die Bundeswehr hier nicht drin.
Die Ruhe- und Arbeitsräume des Chefs LSK/LV sind eigentlich unverändert.
Die bunten Glasfasertapeten sind noch dort, aber die Polstermöbel sind verschimmelt.
Jetzt noch schnell zurück in den alten Bunker. Die Räume der Flugwetterwarte sind total geräumt.
Mich interessiert nun, wie der MfS-Raum nebenan aussieht. Doch die Tür ist abgeschlossen und jemand hat ein Loch in die Füllung geschlagen.
Aus der Übertragungsstelle klingen aufgeregte Stimmen in die Totenstille hier unten.
Später erfahre ich nebenbei, daß ein Besucher zielgerichtet aus einem Raum ein Gerät mitgenommen hat.
Die Polizei wird gerufen, doch die ist auch neugierig.
Die 3 Männer machen erst eine Besichtigungsrunde durch die Katakomben und wundern sich, daß ihr Funkgerät hier unten nicht geht.
In der Post-Übertragungsstelle sehe ich nun die einzigen von der Betonmasse sichtbar verursachten Schäden.
Im ersten Moment sieht alles normal aus.
Doch dann wundere ich mich, dass die Tische hier so niedrig sind:
Sie stehen zur Hälfte in erstarrtem Beton, der aus dem Zuführungschacht der Erdkabel von unten eingedrungen ist.
Mein Blitzlicht flackert noch kräftig und ich will auch noch in die für mich früher tabu gewesenen Räume der Funksende- und Empfangszentrale rein.
Zum ersten Mal sehe ich den Dienstraum des DNZ und den engen Raum mit der Warnzentrale.
Noch ein Blick in die Küche und zum Med-Punkt: Auf dem Fußboden liegen noch ungeöffnete Packungen „ATA“.
Die „Bohnerkeule“ im Klimaraum muß auch noch auf meinen Film. Ob die jungen Besucher heute überhaupt noch wissen, was das ist?
Am Gangende wird es hell.
Ich rieche die frische Luft und verspüre das Gefühl, als wenn ich wie vor 15 Jahren nach einem 24h-Dienst wieder ans Tageslicht kommen würde.
Eine Stunde war ich heute nur im Bauwerk. Meine Akkus haben gut gehalten. Über 80 Bilder habe ich verschossen.
Hoffentlich sind sie gut geworden. Die 6 Stunden Heimfahrt im Auto merke ich kaum.
Meine Gedanken hängen noch unten im Bunker und ich ärgere mich, daß ich so wenig fotografiert habe.

Ein Dankeschön an BBN e.V., THW und Feuerwehr Fürstenwalde!

Manfred Rassau 23.11.2005